Zwei minus X

Dass ich mich mal freiwillig mit Ilse Aigner und der CSU auseinandersetzte, hätte ich mir bis jetzt auch nicht träumen lassen. In der letzten Woche bin ich allerdings über eine Aussage gestolpert, die ich einfach nicht so stehen lassen wollte. Dabei möchte ich mich gar nicht inhaltlich mit der politischen Dimension als solche befassen, sondern als angehender Lehrer einen Blick auf den mathematischen Gehalt der Aussage werfen.

Die Aussage, um die es geht, stammt von Ilse Aigner, der ehemaligen Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und amtierenden bayerischen Staatsministerin für Wirtschaft, Medien, Energie und Technologie. Bei der Ab­schluss­ver­an­stal­tung zum Energiedialog Bayern äußerte sie sich wie folgt:

„Ich sehe nicht, dass für die Versorgungssicherheit Bayerns zwei Trassen wirklich notwendig (sind). Die Formel lautet „Zwei minus X“. Wie groß das X ausfällt, hängt von den Verhandlungen in Berlin ab.“

Was Frau Aigner mathematisch ausgedrückt damit gemacht hat, ist einen Term bzw. eine Funktion mit f(x) = 2 – x  aufzustellen. Die Variable x, die laut ihr von den Verhandlungen in Berlin abhängig ist, und deren Funktionswert f(x), der das Ergebnis des formulierten Terms und damit die Anzahl der Stromtrassen beschreibt. Da sie dazu sonst keine weiteren Angaben macht, ist als Definitionsmenge diejenige mächtigste Menge anzunehmen, die in Verbindung mit ihrer Aussage noch Sinn ergibt. Da es, zumindest wenn der Bau nicht mitten im Konstruktionsprozess abgebrochen wird, keine halben oder weiter teilbare Trassen gibt, lässt sich die Definitionsmenge auf die ganzen Zahlen (ℤ) eingrenzen. Weil es ebenfalls keine negativen Stromtrasen geben kann und f(x) damit immer größer oder gleich 0 sein muss, folgt daraus für die Variable x, dass sie 2 als maximalen Wert annehmen kann. Damit ist die Definitionsmenge als D = {x ∈ ℤ | x ≤ 2} festgelegt.

Laut Horst Seehofer, dem amtierenden bayerischen Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden der CDU, möchte Ilse Aigner mit dieser Formel zum Ausdruck bringen, dass es entweder keine oder eine Stromtrasse geben soll. Die Formel solle also ausschließlich 0 oder 1 als Ergebnis haben. Dies ist bloß nicht der Fall, was besonders deutlich wird, wenn wir eine Wertetabelle der Funktion betrachten.

wertetabelle_csu

Der Funktionswert f(x), der für die Anzahl der Stromtrassen steht, kann alle positiven, ganzzahligen Werte annehmen. Dazu muss die Variable x lediglich kleiner oder gleich 0 sein. Was Frau Aigner also in ihrer Aussage offensichtlich nicht beachtet hat, ist die Existenz von negativen Zahlen. Vielleicht wäre da bei ihr eine Nachhilfestunde in Mathematik angemessen, denn laut dem bayerischen Lehrplan sollte sie diese in der sechsten Klasse kennengelernt haben und spätestens nach Klassenstufe 8 die „funktionale Abhängigkeit zweier Größen“ beschreiben können.

Was den mathematischen Gehalt der Aussage angeht, lässt sich folglich sagen, dass dieser vordergründig zwar logisch erscheinen mag, aber bei genauerer Betrachtung quasi nichts sagend ist und von einem begrenzten mathematischen Sachverstand zeugt. Inwieweit das auf den eigentlichen Inhalt als politische Dimension zu übertragen ist, möchte ich gerne jedem selbst überlassen.

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